Weit bin ich an diesem Wochenende nicht gekommen. So 40 km nach rechts. Ok, das ist keine offizielle Navigationsrichtung, aber mir sagts, dass ich im Weinviertel unterwegs bin. Also rechts von der Brigittenauer Brücke.
Und da darf man ohne Pass gar nicht zu lange geradeaus fahren, denn dann kippt man aus dem kleinen Österreich gleich mal ins Wasser und dann ins Ausland.
Wer weiß wo es mich diesmal hingezogen hat? Nach Niederösterreich, Bezirk Gänserndorf. Angern an der March, Stillfried, Wutzelburg…
In Angern gibt es eine Fähre, die schippert unermüdlich über die March und bringt Mensch, Fahrrad, Auto um 1,- noch weiter nach rechts. Das ehemalige Fährhaus auf der österreichischen Seite ist nun ein Imbiss Lokal und nennt sich: „Das Leben ist schön!“ – Das ist sehr richtig, besonders wenn die Staatsbürgerschaft Österreich ist. Nach dem ich nämlich von der Fähre gehüpft bin, sehnte ich mich sofort wieder nach der anderen Seite, denn da ist es eindeutig grüner.
Also schnell wieder rüber, ein feiner Spaziergang dem Wasser entlang, das sich echt gut hinter Gebüsch versteckt und dann ab ins Urzeit Museum in Stillfried.
http://www.museumstillfried.at/
Innerhalb einer schlappen Stunde ist es möglich eine Zeitreise von 3000 Jahren hinzulegen. Liebevoll zusammengetragene Puzzleteile aus der Erde hervorgeputzt und mühevoll wieder zusammen gestellt. Zwischen aufgetautem Mammutzahnschmuck, Bernstein Ohrgehängen und ziemlich vertrockneten Samen, jagen mir die eingeschlagenen Schädel ganzer Familien gruslige Schauer über den Rücken.
Damit kein Zweifel am gewaltsamen Ableben der als obskur verdrehten Skelette übrig gebliebenen Familie bestehen bleibt, gibt es zu jedem Ausstellungsstück gesprochenen Erklärungen, die mittels Handy ganz neuzeitlich abrufbar sind.
Ein ganzes Stockwerk des Museums ist der Ernährung im Laufe der Zeit gewidmet. Also erfunden haben wir sicher nichts, was gesundes Essen betrifft. Über die Wirkung von Kräutern und Gewürzen wussten schon die alten Römer sehr genau Bescheid. Glutenfrei war kein Thema, Getreide wichtiges Hauptnahrungsmittel. An Süßungsmitteln und Alkohol, der einen nicht sofort dahin bringt wo man als zusammengekrümmtes Skelett wieder auftaucht, wurde intensiv geforscht.
Ich möchte ja diese wunderbare Tradition der Forschung an Genussmitteln nicht unterbrechen und begebe mich für weitere Experimente in die erfahrenen Fässer der Familie Küssler in Stillfried.
Es erwartet mich ein äußerst professionell geführtes, traditionelles Weingut mitten in einer wenig touristisch erschlossenen Weingegend.
Zum Familienbetrieb hat sich vor einigen Jahren ein Marketing Experte als Schwiegersohn eingekorkt. Das Potential wurde erkannt und gut genutzt. Die ganze Region profitiert von der aufkeimenden Prominenz des Betriebes.
Kernstück sind die vielfältig eingesetzten, neu interpretierten Weinfässer. Wenig haben die, als Bett, Badewanne, Sitzmöbel, Stofftier… extra angefertigten Fass Nachbildungen mit den eigentlichen Weinkübeln zu tun. Der neue Wein wird von kühlem Nirosta an seiner Flucht gehindert, Bett und Türe sind aus anderem Holz als Eiche gezimmert, das etwas kitschig geratene Stoff Maskottchen ist aus Plüsch genäht.
Spätestens wenn der neueste Werbe Gag, der Familien eigene Schunkel Hit von Flasche und Außenlautsprecher schallt, weiß ich, dass hier vermarktet wird, was vermarktet werden kann. Ganz wichtig: mit dem Handy nicht zu nahe an einen Flaschenhals kommen! Dort verbirgt sich die neueste Idee, des Marketing Experten: ein Code, der nur darauf wartet, aktiviert zu werden um werbewirksam loszuträllern. Nur für Freund_innen von Blasmusik Pop empfehlenswert.
Sympathisch bleibt der Betrieb allemal. Die Führung durch die originalen Weinkeller, die ehrlichen Weine, die Selbstbedienungs Weinbude mit offener Kassa, das wunderbare Essen mit Spezialitäten aus der Region, das alles zu einem unschlagbaren Preis- Leistungsverhältnis, helfen beim Entspannen.
Über all dem schwebt das ehrliche Anliegen, den Gäst_innen das Beste zu bieten, Freude zu machen, sich wie König_innen zu fühlen.
Meine Fragen zum Thema pflanzliche Ernährung wurden mir ehrlich und respektvoll beantwortet.
Es wirkt ja durchaus überraschend, was an Wein denn nicht pflanzlich sein soll? Dass zur Klärung von Getränken Gelatine auf tierbasis oder Fischblase verwendet wird, wusste ich bereits, aber dass dem Wein tierisches Fett zu gesetzt wird damit Schwebestoffe entfernt werden war mir neu. Dazu wird Hühnereiweiß verwendet. Allerdings sind die Mengen so gering, dass ein experimentieren mit pflanzlichen Fetten als Alternative, die damit verbundenen behördlichen Ansuchen einfach zu aufwendig scheinen. Ein verpachtetes Weingebiet wird aber bereits als bio-vegan geführt. Next generation sozusagen. Der Pächter soll mit den Ergebnissen bisher zufrieden sein. Vielleicht darf ich ihn auch mal fragen. Und kosten – wer weiß?
Es gibt ja noch einiges zu erforschen in dieser recht ursprünglichen Gegend. Die Küche des Hauses zum Beispiel, in die ich natürlich nicht so einfach reinspazieren durfte. Im Betrieb herrscht strenge gender Arbeitsteilung: Der Weinbau, die Vermarktung sind in männlicher Hand, die Küche, das Service – da sind die Frauen die Chefinnen. Auf Anfrage werden sowohl rein pflanzliche als auch vegetarische Wünsche erfüllt. Die nach der Weinverkostung servierte Jause als auch das Frühstück waren von solider Qualität. Regional, liebevoll angerichtet, unaufgeregt. Für jede_n etwas dabei.
Kleiner Hinweis an die Zucker Verweiger_innen! Im Wein ist Zucker! Je günstiger das Getränk, desto mehr. Warum? Weil mit Zucker, der Geschmack verbessert werden kann. Und fehlende Wärmegrade bei der Lese ausgeglichen werden. Besonders böse ist, dass dieser Zucker nicht angegeben werden muss. Bis zu einem gewissen Prozentsatz natürlich. Aber – Zucker ist drin!
Ein klitzekleiner Kritikpunkt, den habe ich doch in diesem Paradies gefunden. Die Geschichte der 80 jährigen Oma, die, die Etiketten von den recycling Flaschen kratzt, ist ja durchaus herzerwärmend. Wären diese Etiketten aber nicht aus Kunststoff, wäre das Konzept für die Oma nicht so sinnstiftend, allerdings zeitgemäßer, weil umweltschonender.
Zusammenfassend ist das Schlafgut Gästehaus, Weingut Küssler ein Kurzurlaubstipp für die ganze Familie. Noch handelt es sich fast um eine geheime Wellnessoase – also schnell los!
Wann und ob die perfekte Marketing Maske, die gewachsene persönliche Note überwuchert liegt noch in den vor dem Feind zugemauerten Kellerkammern. Giftiger grüner oder gesunder schwarzer Schimmel? Noch überwiegen der schwarze Wucherpilz, der keine Abwehrreaktionen hervorruft und die kuscheligen Spinnweben unserer Ahnen.
https://www.kuessler.at/singendeweine/
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Deine Susanne
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